Gesetzgebung darf keine Geheimsache sein

In Brüssel werden neue Gesetze unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Das ist undemokratisch. Wir fordern die EU auf, die zentralen Verhandlungs-dokumente offenzulegen.

Wenn in Brüssel Gesetze gemacht werden, sind die Folgen oft besonders weitreichend: Da geht es um die Begrenzung der Macht von Digitalkonzernen, um Vorschriften für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, oder um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in den Lieferketten. Sobald Konzerne ihre Geschäftsinteressen davon berührt sehen, versuchen sie mit allen Mitteln, geplante Regelungen aufzuweichen. Damit das Gemeinwohl eine Chance hat, muss Transparenz bei der Gesetzgebung groß geschrieben werden.

Doch die entscheidenden Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission (der sogenannte Trilog) finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Konzerne mit viel Lobbymacht nutzen diese Phase der Entscheidungsfindung, um in letzter Minute Änderungen in ihrem Interesse durchzusetzen. Doch wir Bürger:innen erfahren nicht, wie die Trilog-Verhandlungen laufen und wer welche Positionen vertritt. Stattdessen werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt, sobald die Verhandelnden sich geeinigt haben: Es gibt ein neues Gesetz, und es bleibt unklar, auf wessen Konto welche Klausel letztlich geht.

Diese Geheimniskrämerei ist inakzeptabel. Wir fordern die Offenlegung der zentralen Verhandlungsdokumente, damit die Öffentlichkeit rechtzeitig informiert ist und selbst Stellung beziehen kann. Bitte unterzeichnen Sie unseren Appell:

Jetzt transparente EU-Gesetzgebung fordern

Mit unserer Forderung haben wir das Europäische Gericht auf unserer Seite. Es entschied, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf diese Informationen hat. Doch bisher halten sich die EU-Institutionen nicht daran – und führen uns sogar an der Nase herum. Ein Beispiel: Anfang 2022 baten wir das EU-Parlament um Zusendung des aktuellen Verhandlungsdokuments zum Digitalmarkt-Gesetz. Die Verhandlungen waren zu dem Zeitpunkt in der Trilog-Phase und von starkem Lobbyeinfluss von Google & Co geprägt.

Der Fortschritt solcher Verhandlungen wird in den sogenannten 4-Spalten-Dokumenten festgehalten. In den ersten drei Spalten sind die Positionen der drei EU-Organe notiert, und in der vierten Spalte der bisherige Kompromiss. Diese Dokumente werden nach jeder Verhandlungsrunde aktualisiert. Ohne Zugang zu den aktuellen Dokumenten ist es praktisch unmöglich, die Gesetzgebung in der EU in der entscheidenden Phase kritisch zu begleiten.

Tatsächlich schickte uns das EU-Parlament ein 4-Spalten-Dokument zu – doch dieses war in der entscheidenden vierten Spalte leer. Es war noch vor Beginn der Verhandlungen erstellt worden und völlig veraltet. Zuvor durchgesickerte Dokumente hatten schon einen neueren Stand gezeigt. Wir fühlten uns veräppelt: Das Europäische Parlament enthielt uns immer noch die entscheidenden Informationen vor.

Solch undemokratisches Gebaren wollen wir nicht länger hinnehmen. Es betrifft nicht nur uns als LobbyControl, sondern die europäische Öffentlichkeit insgesamt. Wer Gesetz für uns macht, soll sich auch von uns auf die Finger schauen lassen.

Jetzt für mehr Einblick in die EU-Gesetzgebung unterzeichnen

Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, den europäischen Bürger:innen zu ihrem Recht auf Information zu verhelfen. Daher werden wir zusätzlich zu unserem Online-Appell eine Beschwerde bei der EU-Bürgerbeauftragten Emily O‘ Reilly einreichen, damit auch sie sich der Sache annimmt und eine Empfehlung an die EU-Institutionen ausspricht. Bis O‘Reilly reagiert, kann es aber Monate dauern. Und wie gesagt: Sie kann nur eine Empfehlung aussprechen, nicht aber die EU-Institutionen zu einer Änderung ihres Verhaltens zwingen.

Es braucht deshalb vor allem direkten öffentlichen Druck auf die EU-Institutionen. Gemeinsam wenden wir uns an ihre Präsident:innen, an Ursula von der Leyen, Charles Michel und Roberta Metsola. Die Maßnahme, die wir verlangen, ist einfach, kostet nichts und ist unverzichtbar, damit die europäische Demokratie funktionieren kann: Stellt eure Verhandlungsdokumente ins Netz!

Gemeinsam können wir es schaffen, dass die EU-Politik ein gutes Stück transparenter und demokratischer wird – nicht nur in Sonntagsreden, sondern in der alltäglichen Praxis.

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